Es soll Haushalte geben, die ganz ohne Bücher auskommen. Bei Roger Murmann aus dem südhessischen Eppertshausen ist das anders: Er beherbergt gleich 10.000 bis 12.000 Bücher. Genauer kennt er die Zahl nicht, denn er und seine Mitstreiter der Aktion Bücherrettung (https://www.buecherrettung.de) erhalten so oft neue Exemplare, dass sie mit der Pflege einer Inventarliste nicht hinterherkommen.
Die Idee, Bücher vor dem Altpapiercontainer zu bewahren, kam Roger Murmann 2019. Der Anlass war traurig: Ein aktiver Fan und Sammler war verstorben und es galt, seine Schätze weiterzuvermitteln. Seitdem rettet Murmann gemeinsam mit seinen Vereinskollegen des Science Fiction Club Deutschland e. V. Büchersammlungen, sofern sie der Science-Fiction (z. B. Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“) oder der Fantasy (z. B. „Harry Potter“) oder dem Horror (z. B. Stephen Kings „Shining“) zuzuordnen sind. Das Angebot hat so viel Resonanz gefunden, dass die Retter sehr beschäftigt sind.
Sie haben zwar kein Blaulicht, aber ein geräumiges Auto, das ganze Sammlungen transportiert. Häufig ist der Anlass traurig – die Sammlerin oder der Sammler ist verstorben und die Verwandten sind nicht interessiert. Abnehmer der Sammlungen gibt es genug – darunter prominente Schriftsteller, deren Namen vertraulich behandelt werden. Auch seltene Stücke wurden schon gerettet – etwa eine Ausgabe des Magazins „Startling Stories“ aus dem Jahre 1949.
Jeder Sammler, der die Bücherrettung besucht, bekommt gerne einen Kaffee, bevor es hinab in den staubtrockenen Keller geht. Bücherstapel weisen den Weg. Der Einzige, der über die vielen Bücher stöhnt, ist gelegentlich der Paketbote, denn oft gehen die Sammlungen per Post an die Interessenten.
Im Umkreis von 200 Kilometern steigen die Vereinsmitglieder gerne mal ins Rettungsfahrzeug und holen große Sammlungen auf Spendenbasis persönlich ab. Zwei Fahrten führten auch schon ins Ausland.
Im Keller bietet sich Besucherinnen und Besuchern in mehreren Räumen ein außergewöhnlicher Anblick. So viele Bücher auf so wenig Platz findet man selten, selbst die Regale einer Bücherei kommen nicht an diese Packungsdichte heran. Und das, obwohl es sich um gewöhnliche Kellerräume handelt. Man erkennt den ehemaligen Partykeller, der jetzt anderen Zwecken dient.
Die Retter haben nicht das Ziel, mit ihrem Engagement Geld zu verdienen. Bücher (und Hefte) werden zu einem moderaten Preis abgegeben. Der Erlös wird dann etwa in Regale, Mietwagen und Benzin reinvestiert. Die Bücherretter verstehen sich als Vermittler zwischen Sammlern.
An „Tagen der offenen Tür“ haben Science-Fiction-Fans dort die Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten austauschen. Darüber hinaus macht die Zusammenarbeit mit Buchmessen und Science-Fiction-Conventions großen Spaß. Eine intensive Kooperation gibt es mit der Phantastischen Bibliothek Wetzlar – an deren Bestand von 300.000 Titeln kommen die Bücherretter längst noch nicht ran. Dort werden regelmäßig phantastische und märchenhafte Lesungen und Buchvorstellungen veranstaltet – schon seit 1987.
Wozu das alles? Roger Murmann und Vorstandskollege Jörg Ritter lächeln bei dieser Frage. Dann berichten sie, dass es ihnen nicht nur um die Bücher geht, sondern um die Begegnung mit anderen Fans. Diesen Ort habe noch niemand „unbebucht“ verlassen, erzählen sie.