Ein Interview geführt von Carina Steffen (“Deutsche Pop” Hausarbeit) mit Michael Kratzer zum Thema ‚virtuelle Konzerte‘.
Carina Steffen: Wie stehen Sie zu dem Thema virtuelle Kunst, beziehungsweise in ihrem Fall virtuelle Konzerte oder Livestreams im Allgemeinen?
Michael Kratzer: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir vor Corona Livestreams in Form von Konzerten nicht sonderlich zusagten. Ich habe immer Präsenz-Events, egal ob groß oder im kleinen Bereich bevorzugt und auch selbst organisiert. Zum ersten Lockdown hatte ich eigentlich auch Präsenz-Veranstaltung geplant, welche leider abgesagt werden musste. Dieser Umstand hat mich aber auch nach einigen Gesprächen mit Location-Inhabern und Musikern/Künstlern dazu veranlasst meine Küchenkonzerte zu realisieren, vor allem um diese
weiterhin zu Unterstützen. Natürlich immer unter Berücksichtigung der geltenden Corona-Regeln. Meine ursprüngliche Abneigung hat sich mit dem Realisieren der Livestreams, die wachsende Erfahrung und dem weiterhin gemeinsamen kreativ sein in der Durststrecke, um 180° gedreht! Und bin heute froh über jedes einzelne Küchenkonzert und es war eine gelungene Abwechslung im Lockdown. Mit meiner Leidenschaft und vor allem meiner Zeit möchte ich etwas für den Fortbestand des kostbaren Gutes „Kunst“ tun.
Beeinflusst das Internet und dessen Präsenz Ihrer Meinung nach die „offline“ Variante Konzert und gibt es Vorteile gegenüber typischen Konzerten?
Durchaus – Es ist eine neue Form der Präsentation, welche man eher aus dem Gaming-Bereich kannte. Aber vor allem sehe ich eine große Chance, über das Medium Internet mehr Menschen zu erreichen und damit auch des Künstlers Werke zu verbreiten. Des Künstlers Lohn, so sagt man oft, sei der Applaus – dieser ist bei reinen Livestreams natürlich akustisch nicht vorhanden. Vielen Künstlern fehlt genau dies und auch wenn man auf den Streaming Plattformen Emoticons spammt, sehen dies im schlechtesten Fall nur die Moderatoren im Chat. Natürlich gibt es technische Möglichkeiten den Applaus zu simulieren – sei in Bild oder Ton – aber wird das Feeling der Darstellerinnen vor Publikum nie ersetzen. Ein großer Vorteil – nach eigenen Erfahrungen im direkten Vergleich mit reinen Präsenz-Konzerten – ist, dass die digitalen Hutspenden deutlich großzügiger ausfallen.
Empfinden Sie Livestreams oder Konzerte „video on demand“ als Mehrwert für die Musikbranche?
Das sind sie bereits – Nehmen wir das Beispiel Fortnite: Hier wurde ein Spiel und dessen gesamte Welt in eine digitale Bühne verwandelt. Ich beziehe mich hier auf das Beispiel von Travis Scott (2020). Durch dieses so gigantische, zu diesem Zeitpunkt einmalige Event wurde Gaming mit einer Musik-Performance erstmalig verschmolzen. So konnte der Künstler auch eine für ihn neue Community erreichen. Ich sehe einen klaren Vorteil und Mehrwert in sogenannten Hybrid-Events – also Live-Übertragung oder VoD (Video on Demand) und Publikum vor Ort – vor allem für kleinere Event-Locations. Da hier meist die Kapazitäten schnell erschöpft sind und durch eine Online-Präsentation mehr Zuschauer:innen erreicht werden können.
Wie empfanden Sie die Arbeit hinter der Kamera – als Veranstalter von Küchenkonzerten
während der Corona-Pandemiehochzeit?
Organisatorisch war die Arbeit äußerst aufwendig. Gerade zu Beginn der Pandemie kamen fast wöchentliche neue Auflagen, die es für mich als Veranstalter zu erfüllen gab. So lagen zum Beispiel Schnelltests, Desinfektion, Masken aus. Ach und natürlich Formulare, um Test-Nachweise und später dann auch Impfnachweise zu dokumentieren. Aber diesen Aufwand habe ich gerne in Kauf genommen um die Menschen zu unterstützen, die gerade in der Pandemiehochzeit meiner Meinung zu wenig Support erfahren haben.
Die Arbeit hat mir stets Spaß gemacht und man hat sich daran gewöhnt dass es keine Planungssicherheit zur Hochzeit gibt. Ton, Licht und Bild gleichzeitig zu organisieren, war herausfordernd schön.
Wie es ist für Sie vor der Kamera als Moderator zu einem „nicht vorhandenen“ Publikum zu
sprechen?
Da ich in der Regel über einen großen Live-Chat Monitor verfügen, kann ich mit meinem Publikum gut interagieren und gegebenenfalls einzelne Personen direkt ansprechen. Eine kleine Umstellung war es dennoch, da der “Face to Face”-Kontakt für mein Empfinden immer noch lebhafter ist.
Können Sie sich vorstellen, dieses Konzept auch nach Pandemiezeiten weiterzuführen?
Derzeit empfinde ich die Pandemie nicht mehr so einnehmend für einen reibungslosen Ablauf eines Events. Die zuletzt aufgestellten Regularien im Umgang mit Corona funktionieren derzeit sehr stabil und sorgen weniger für Überraschungen als zu Beginn. Bereits letztes Jahr konnte ich eine Hybridveranstaltung realisieren, in der auch ein VoD (Video on Demand) produziert wurde.